Vertigo hat geschrieben: ↑14.04.2018, 12:45
AusDemWegIchBinArzt hat geschrieben: ↑14.04.2018, 12:29
Außerdem kann man durchscheinende Einflüsse auch anders herum interpretieren - nicht als Nachteil, sondern als Huldigung bzw. Ehrerbietung an diese.
Das find ich einen ganz wichtigen Punkt. Grade bei Prog-Rezis lese ich ja oft die Band klingt nach der oder der Band und dann führt das zu einer Abwertung. Für mich ist das immer ein Zeichen für eine Huldigung. Es gibt ja Auslöser um eine Band zu gründen, um Musik zu machen zu wollen. Natürlich hört man die und ich finde natürlich soll man die hören. Ich würde das wollen, dass man das bei mir hört, denn ich möchte die Bands die mich dazu gebracht haben selber Musik zu machen damit ehren. Der eigene Stil ergibt sich von ganz alleine mit der Zeit, der Erfahrung und den Kenntnissen von allerlei anderer Musik.
Dann heißt es oft dagegen, ja aber die alten Prog-Bands hätten ja alle nen eigenen Stil von Anfang an fast gehabt. Ja logisch, es gab ja auch nix vorher wo ein Vergleich möglich gewesen wäre. Ein heutiger Rezensent mit seinen Unmengen von Alben die er gehört hat, hat natürlich viel viel öfter ein Deja-Vu als ein Rezensent von 1972, wo es halt vor 1970 solche Art von Musik noch gar nicht gab und er darum nicht halb so viele Vergleichsmöglichkeiten hatte.
Außerdem wird vergessen, dass die damaligen Bands gar nicht dauernd ihre Konkurrenten hören konnten. Außer der Platte der anderen oder mal ein Konzert von denen besuchen gabs da nix. Heute kannst du dir jede noch so obskure Band im Netz in ein paar Klicken anhören. Klar dass sich da dann auch eher Ähnlichkeiten einschleichen als damals wo jeder mehr für sich selber seine Suppe kochen mußte. Generell war damals aber Individualität auch viel viel stärker ausgeprägt, da es einen Wert an sich darstellte individuell zu sein. Heute ist genau das Gegenteil der Fall, auch das führt dazu, dass viele Bands auf Nummer Sicher gehen wollen und lieber so spielen wie ein bekannter Künstler als ein ganz eigenes Ding zu machen.
Am Ende entscheidet sowieso die Gesamtqualität. Es gibt Bands, die nicht sonderlich eigenständig sind, das aber so gut und enthusiastisch und vom Ergebnis her toll umsetzen, dass man ihnen die mangelnde Originalität nicht vorwerfen kann (siehe eben bspw. Pell, der sogar vom Gitarrenstil wie Blackmore klingt).
Genauso gibt es umgekehrt Bands, die alles versuchen und jedes aberwitzige Experiment eingehen, um möglichst originell und innovativ rüberzukommen und sich ja nicht mit irgendeiner anderen Band vergleichen lassen zu können, aber das Ergebnis klingt am Ende einfach nur krampfig und ist völliger Käse, den man sich nicht freiwillig anhört. Da vertrete ich dann im Zweifelsfall die Devise: Besser gut geklaut als schlecht selber gemacht.
Anderes kommt natürlich auch vor: Bands, die so unkreativ sind und dermaßen dreist und plump woanders klauen, eventuell sogar nur aus reinem Kalkül, dass es am Ende mindestens langweilig, schlimmstenfalls beschissen klingt. Also so, dass es über das normale Durchschimmern und Verarbeiten von hörbaren Einflüssen weit hinausgeht. Gerade wenn irgendeine bestimmte Sache momentan im Trend liegt, kommen zweit-bis fünftklassige Kapellen dieser Art natürlich wie die Pilze aus dem Boden geschossen und wittern ihre Chance. Aber die überleben dann meist auch nicht lange, weil die ganze Basis dahinter nicht stimmt.
Besonders schlimm, wenn es dann wie bei diesen ganzen einfallslosen Retro-Rockern ist, die mit Dreitagebart und Schlaghose ihre Led Zep-Riffs zum zweimillionsten Mal recyceln, das Ganze dann aber unpassenderweise mit einer modernen Produktion oder einem "zeitgemäß" spielenden Drummer versehen, was die vermeintliche Authentizität ad aburdum führt, weil das alles ein Widerspruch in sich ist. Du weißt ja, eines meines Lieblingsthemen, wo ich mich so richtig schön dran festbeißen kann...
Und natürlich gibt es auch Gruppen, die einen tatsächlich noch mit bislang ungehörten, frischen und vor allem stimmig umgesetzten Ideen überraschen können - aber das kommt in den allerseltensten Fällen vor.
Wie gesagt, eine gewisse grundsätzliche (und stellenweise hörbare) Beeinflussung durch andere Bands ist aus meiner Sicht normal und erstmal absolut nichts verwerfliches.
Ich kenne das selber ein wenig: Ich spiele ja Schlagzeug und habe ursprünglich mal mit Klavier angefangen, noch vor dem Schlagzeug, bereits in der Grundschule. Melodieinstrumente und auch der theoretische Background dazu sind mir also ebenfalls durchaus vertraut.
Und natürlich habe ich auf dieser Basis dann auch irgendwann angefangen zu komponieren, früher, als ich hobbymäßig mit Kumpels öfter Musik gemacht habe. Das war selten in einer festen Bandkonstellation, eher waren das zeitlich begrenzte Projekte oder Kooperationen, sagen wir mal so. Schon deshalb, weil ich nie live auftreten wollte.
Und was kam dabei heraus ? Im Großen und Ganzen klang das, was ich kompositorisch so vor mich hinfabriziert habe, immer irgendwie nach Deep Purple oder Iron Maiden, einfach weil das in meinem Kopf so drinsteckt. Oder anders gesagt: Es sind halt nun mal die prägendsten Einflüsse für mich und die kamen halt immer wieder automatisch durch, aber das hat mich nie sonderlich gestört.
Ich konnte mich immer offen dazu bekennen, da hatte ich auch nie ein Egoproblem oder sowas, ist doch nix schlimmes dabei. Diesen Ehrgeiz, was völlig einzigartiges oder noch nie dagewesenes fabrizieren zu müssen, habe ich nie besessen. Mir hat es immer gereicht, wenn mir das, was ich so zustande brachte, gefiel und ich meinen Spaß damit hatte. Und wenn es mir nach drei Jahren immer noch gefiel oder auch mal ein positives Feedback kam (von Bandkollegen, Freunden o.ä.), umso besser. Aber in erster Linie war ich zufrieden, wenn ich mit dem was ich machte einfach glücklich sein konnte.
Was mich eher gestört hat, war eben, dass mein Lampenfieber und die Nervosität immer so groß waren, dass ich mich nie richtig auf die Bühne getraut habe bzw. der erste und einzige Auftritt mit Band auf einer Bühne (in der Schulaula) richtig in die Hosen ging, ich erzählte davon mal. Da erkannte ich dann ja auch: Es ist nicht jeder für ein Leben on stage geeignet, ich zumindest bin es nicht

. Muß ja auch nicht.
Aber im Proberaum gespielt oder für mich rumkomponiert habe ich immer gerne, auch heute noch, wenn ich Zeit und Lust habe. Und ich bin diese evidenten Einflüsse in meinen Ideen nie wirklich losgeworden, wobei ich mich natürlich nicht erdreiste, mich mit diesen genialen Bands zu vergleichen. Ich sage halt einfach nur, man kann und konnte es immer ziemlich deutlich raushören, ohne dass es aber bewußt so geplant war.
Es kam einfach immer so raus aus mir, dieses 80er/70er-Hardrock-Metal-Ding war immer meine Wurzel. Das hat mir auch vom kompositorischen Ansatz immer viel mehr gelegen, als etwa progressive Sachen - obwohl ich Progressive Rock, Jazzrock und abstrakteres Zeugs auch liebe, wie Du weißt. Aber das war und ist mir dabei relativ egal, ich wollte mich nie absichtlich irgendwie verstellen oder krampfig auf irgendwas bestimmtes hinarbeiten.
Ich habe mir immer gedacht: Es kommt so wie es kommt. Und wenn es das ist (diese klassische Purple-Maiden-Dingsbums-Schiene), was aus dir rauskommt, dann ist das eben so - du liebst und fühlst dieses Zeug schließlich auch schon, solange du denken kannst. Und ich finde, es ist auch besser, wenn man seiner inneren Stimme folgt und nicht irgendwas aufgesetztes macht oder sich an Dingen verhebt, die einem von der Umsetzung her nicht wirklich liegen.
Ich bin mir sicher, auch wenn ich als Musiker erfolgreich und bekannt wäre (was ich glücklicherweise nicht bin und auch niemals sein werde), könnte und würde ich ohne Probleme zu diesen Wurzeln und offenkundigen Einflüssen stehen. Wenn man mich dann darauf anspräche, würde ich vermutlich sogar eher die Bekanntheit dazu nutzen, um auf diese Vorbilder sogar noch mal gezielt hinzuweisen, so nach dem Motto: "Seht her, ich bin nur deswegen hier, weil das meine Helden sind und ich soviel von denen gelernt habe - und dafür schäme ich mich nicht, ich gebe es gerne zu. Hört sie euch selber an, sie sind allesamt immer noch großartig und jede Beschäftigung wert !".